Ein Fall wie der im Thema des Monats besprochene Fund von Kinderpornografie und anderer harter Pornografie bei einem renommierten Dienst wie EXCITE weckt im Bezug auf die Kontrolle des Internet regelmäßig schlafende Hunde. Medien, Politiker, Polizei- und Justizbehörden aber auch die Geheimdienste rufen dann nach neuen schärferen Gesetzen und einer besseren Überwachung des Internet.
Selbstverständlich ist es der weiteren Verbreitung der Internetnutzung wenig förderlich, wenn das Internet und seine Inhalte als außerhalb bestehender Gesetze und Konventionen stehend verstanden werden. Niemand wird allen Ernstes seinen Onlineshop für Tiernahrung im Internet in die Nähe von Kinderschändern oder Neonazis gerückt sehen wollen.
Aber braucht das Internet wirklich mehr Überwachung – sprich Zensur – seiner Inhalte von Außen. Oder reichen nicht auch die bestehenden Gesetze und ihre konsequente Anwendung aus? So ist zum Beispiel im Fall EXCITE die Darstellung von sexuellen Handlungen an und mit Kindern in Deutschland (dem Betrachterstandort) und den USA (dem Serverstandort) schon lange unter Strafe gestellt. Die Polizeibehörden beider Länder müssen in einem solchen Fall natürlich eng bei der Aufklärung zusammenarbeiten.
Gerade diese Zusammenarbeit und die Ermittlung im Internet stellt aber die Polizei vor neue Aufgaben. Ihre Mitarbeiter müssen für die Ermittlung im Internet nicht nur geschult werden. Auch die technische Ausstattung muß dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Leider ist dies nicht immer der Fall.
Man sieht sich nicht in der Lage die Straftaten angemessen zu verfolgen und fordert daher lieber die direkte Überwachung des Datenverkehrs bei den Providern. Verbunden damit ist auch oft der Wunsch, daß illegale oder unerwünschte Inhalte vom Provider ausgefiltert werden.
Seltsamerweise verlangt niemand, daß auch die normale Briefpost ständig im Postamt geöffnet wird und unerwünschte Sendungen dort vernichtet werden. Außerhalb des Internet reichen die bestehenden Gesetze und Verfolgungsmöglichkeiten also anscheinend aus.
Wer sollte auch entscheiden was durchgelassen und was ausgefiltert werden soll. In Staaten mit einem sehr unterentwickelten demokratischen Wesen sind solche Filtermechanismen bereits im Einsatz. So werden in China, den meisten arabischen Ländern, in Indonesien, Singapur aber auch in Indien und Australien vom Staat unerwünschte Internetseiten nicht angezeigt.
Dies kann selbstverständlich die Verbreitung von z.B. Kinderpornografie einschränken. Aber auch regierungskritische Meinungen oder unabhängige Medien mit kritischen Beiträgen (wie CNN) sind davon betroffen. In solchen Fällen unterliegt die Meinungsfreiheit und der ungestörte Informationsfluß im Internet im Kampf mit der staatlichen Verfolgung von tatsächlichen oder vermeintlichen Straftaten.
Die Internetgemeinde, also Provider und Nutzer, sollten vielmehr eigene Standards zur Sauberhaltung des Internet ohne staatlichen Eingriff entwickeln. Diese Standards sollten grenzüberschreitend gelten, um zwar einerseits zu Verhindern, daß strafrechtlich relevante Inhalte im Internet auftauchen, aber andererseits der freie und ungehinderte Austausch von Informationen nicht gefährdet wird.
Der ungehinderte Austausch von Informationen und Meinungen mit Menschen z.B. in China unterstützt die dort auch vorhandenen Forderungen nach mehr Demokratie und Mitbestimmung. Somit ist das Internet Motor von Veränderungen in den Regierungssystemen vieler Länder, besonders im asiatischen Raum. Aber nicht nur dort. Auch für Jugoslawien bedeutet der ungehinderte Zugang zu Informationen im Netz eine Chance den Anschluß an die demokratische Entwicklung Europas zu finden.
Unsere Kampagne des Monats ist ein gutes Beispiel für diesen ungehinderten Austausch von Informationen. Es sollte eben nicht nur möglich sein Berichte über die Lage in Osttimor aus den üblichen Medien und von den staatlichen indonesischen Stellen zu beziehen. Im Internet finden sich daneben schon seit Jahren unabhängige Informationen über die tatsächliche und bedrückende Lage dieses Landes unter indonesischer Besatzung. Solche Informationsquellen dürfen einfach nicht versiegen.
Es gibt schon seit einiger Zeit gute Möglichkeiten un zu verhindern, daß Seiten mit pornografischen Inhalten auch von Minderjährigen oder außerhalb jeglicher Kontrolle abgerufen werden können. Der Einsatz solcher Systeme wie beispielsweise AdultCheck sollte dazugehören, wenn man es den Nutzern eines Dienstes erlaubt – wie bei EXCITE – eigene Seiten auch mit pornografischen Bildern zu füllen.
Der Diensteanbieter sollte daneben von sich aus die in seinem Verantwortungsbereich liegenden Seiten auf strafbare Inhalte untersuchen. Wer sich wie EXCITE in seinen Nutzungsbedingungen praktisch von jeglicher Verantwortung freistellen läßt und auch tatsächlich nichts unternimmt, spielt der Forderung nach einer verstärkten Überwachung und Zensur von staatlicher Seite direkt in die Hände.
Das Internet bildet das gesamte Spektrum der Interessen seiner Benutzer ab. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, daß von Informationen zu politischen Themen bis hin zur Darstellung der menschlichen Sexualität so ziemlich alles zu finden ist, was auch sonst im menschlichen Zusammenleben außerhalb des Internets vorkommt. Das normale Leben ist durch Gesetze und ihre Anwendung geregelt. Auch das Internet unterliegt diesen Gesetzen. Nur ist ihre Anwendung und Durchsetzung ohne Mithilfe der weltweiten Internetgemeinde nicht oder nur erschwert möglich.
Bevor also stattliche Stellen anfangen mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen, sollte das Sauberhalten des Hofes hinter unserem globalen Internethaus von den Bewohnern dieses Hauses selbst gestaltet und durchgeführt werden. Natürlich muß auch die Polizei mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, um Straftaten im Internet zu verfolgen. Aber auf Grundlage der schon bestehenden Gesetze, nicht mit immer neuen Überwachungsregeln.
Nur so bleibt die ungehinderte und unzensierte Verbreitung von Informationen ein fester Bestandteil des Internet. Nur vom Kommerz alleine (Geschäfte sind meist unverdächtig) kann und sollte das Internet nicht leben.
Und dann hoffen wir, daß es im Internet in den meisten Ländern der Welt weiterhin heißt: EINE ZENSUR FINDET NICHT STATT.
Ihr Web-Elch
P.S. Auch unser Technik-Tip ist selbsverständlich wie der ganze Rest des neuen Web-Elch lesenswert.