In den letzten Tagen melden sich verstärkt Mitglieder der WASG mit Aufrufen zur Einigkeit der linken Kräfte in Deutschland zu Wort. Es wird gefordert möglichst sofort einen gemeinsamen Kreisverband der WASG und der Linkspartei zu bilden. „Trennendes“ soll beiseite gestellt und Einigkeit der demokratischen Linken demonstriert werden. Zur Bestätigung der eigenen Position wird gerne die konstruktive Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Linkspartei vor Ort und der vermeintlich schon geschaffte Einzug von WASG-Mitgliedern auf Listen der Linkspartei in den Bundestag genutzt. Der von den Vorständen von WASG und Linkspartei auf mittelfristige Sicht angedachte, geforderte und durch kritische Diskussion begeleitete Prozess des Zusammenwachsens beider Parteien soll durch einen „Zusammenschluss von unten nach oben“ schon vorweggenommen und somit als vermeintlich einzige Alternative für die erfolgreiche Zusammenarbeit linker Kräfte in Deutschland etabliert werden.
Noch bevor überhaupt die Stimmen der Bundestagswahl ausgezählt sind und die WASG und die Linkspartei dort durch Zusammenarbeit in der Opposition beweisen konnten, dass sie überhaupt gemeinsam in der Lage sind auf Dauer konstruktiv an Lösungen und Alternativen zu arbeiten, soll die WASG durch einen Zusammenschluss in der Linkspartei aufgehen. Ich benutze hier bewusst den Begriff „aufgehen“, da die WASG nach so kurzer Zeit und mit einer zwar beachtlichen doch im Vergleich zur Linkspartei geringen Mitgliederzahl zwangsläufig immer nur Juniorpartner einer solchen Verbindung sein kann. Noch bevor es der WASG gelingen kann ein eigenständiges linkes Profil auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zu etablieren, soll sie praktisch von der politischen Bühne verschwinden und in den bislang eher erfolglosen westlichen Gliederungen der Linkspartei aufgehen.
Wir sollten nicht vergessen was der Grund dafür ist, dass wir als WASG in den letzten Monaten einen solch positiven Zuspruch in der Bevölkerung erfahren haben. Gerade die Unterstützung durch Gewerkschaften aber auch die grosse Zahl der Eintritte von verständlicherweise enttäuschten Ex-Mitgliedern der SPD entsprang und entspringt dem Wunsch eine neue linke Alternative und Kraft zu etablieren, die sich gegen den parteiübergreifenden Irrweg der gegenwärtigen Politik ausspricht. Augenscheinlich erschien in der Gründungsphase der WASG die damalige PDS gerade nicht als einzige und sinnvolle Alternative eine linke Politik zu betreiben. Wäre dem so gewesen, hätten diese Mitglieder und Sympathisanten auch gleich in die PDS eintreten oder sie unterstützen können. Die Gründung des WASG war aber der bewusste Versuch eine eigenständige linke Kraft aus der Mitte der Bevölkerung entstehen zu lassen. Wie mir scheint ist uns dieser Versuch gut gelungen. Wir erfahren eine breite Zustimmung zu unseren Vorschlägen und zu unserer Kritik am Kurs des Sozialabbaus der letzten Jahre. Die von der damaligen PDS – jetzt Linkspartei – bereitgestellte Möglichkeit unsere Mitglieder auf ihren „offenen“ Listen zur Bundestagswahl aufstellen zu lassen war und ist eine sinnvolle Lösung. Ohne diese Hilfe hätte die WASG nie die finanziellen und organisatorischen Mittel gehabt einen eigenen landesweiten Bundestagswahlkampf bestreiten zu können. Aus dieser Hilfestellung und den positiven Erfahrungen der Zusammenarbeit in den letzten Wochen aber nun herzuleiten, dass ein Zusammenschluss unausweichlich und alternativlos in kürzester Zeit erfolgen soll, halte ich persönlich für übereilt.
Aus vielen Gesprächen mit Bürgern kann ich berichten, dass wir als WASG eine breite Zustimmung erfahren. Auch das Aufstellen unserer Mitglieder auf den Listen der Linkspartei wird noch als probate Lösung unter dem momentanen Zeitdruck verstanden. Allerdings sagen viele Bürger auch, dass sie nur deswegen am 18. September die Linkspartei wählen werden, weil sie eigentlich durch unsere Mitgliedern auf den Listen indirekt die WASG wählen wollen. Eine Wahl der reinen Linkspartei bzw der PDS war und ist diesen Bürgern bislang noch nie in den Sinn gekommen. An den Ergebnissen der PDS bei den letzten Wahlen im Westen Deutschlands kann man dies auch gut ablesen.
Aus diesen Gründen kann ich persönlich nur dazu aufrufen zwar weiterhin vertrauensvoll und eng mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten und gerade nach dem 18. September im Bundestag zu zeigen welche Alternativen linke Politik für dieses Land bereithält, aber auch einen möglichen Zusammenschluss mit der Linkspartei eher als mittelfristiges Projekt zu verstehen. Wir sollten hier gemeinsam noch viel diskutieren und Trennendes und mögliche Reibungspunkte im Vorfeld erkennen und zusammen mit der Linkspartei versuchen zu beseitigen. Erst dann ist ein Zusammenschluss auf Augenhöhe möglich. Ein übereilter Zusammenschluss mit einem dann möglichen innerparteilichen Streit und dem unvermeidlichen Austritt enttäuschter WASG-Mitglieder müssen wir vermeiden. Eine solche Entwicklung spielt nur den ohnehin auf uns eingeschossenen Medien und den etablierten Parteien in die Hände und dient auf keinen Fall unserer gemeinsamen Sache.
Zum Schluß möchte ich noch kurz auf ein ganz interessantes Argument eingehen, dass ich in einem dieser „Einheits-Aufrufe“ finden konnte. In nächster Zeit sind also 13 Bezirksräte und der Stadtrat neu zu besetzen. Warum sollte uns eine kommunale Beteiligung hier in Hannover nicht auch als WASG – gerne auch in enger Zusammenarbeit mit anderen demokratischen linken Kräften – gelingen? Wenn einige unserer vermeintlichen Kandidaten für Sitze in diesen Gremien der Überzeugung sind, dass sie nur mit oder in der Linkspartei die Chance haben in diese Kreisräte oder den Stadtrat gewählt zu werden, dann steht es ihnen doch auch weiterhin frei entweder auf einer Liste der Linkspartei anzutreten oder wohlmöglich besser noch gleich als Mitglied der Linkspartei zur Wahl anzutreten.
Die WASG ist bewusst gegründet worden, um eine linke und demokratische Alternative zur neoliberalen Politik aufzubauen. Bereits vor der ersten Wahl, an der sich die WASG noch indirekt beteiligt, den Zusammenschluss mit einer seit 15 Jahren gerade im Westen eher erfolglosen linken Partei zu suchen, wird weder von unseren Mitgliedern noch von unseren zahlreichen Unterstützern in den Gewerkschaften und der Gesellschaft verstanden werden.
Vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit der linken Kräfte ist geboten. Die „Erzwingung“ einer linken Einheitsfront durch den schnellen Zusammenschluss mit der Linkspartei auf Kreisebene ist der falsche Weg. Übereilte Entscheidungen, auch wenn sie aus guten Beweggründen getroffen wurden, haben noch nie zu dauerhaften und nachhaltigen Lösungen geführt.